Welche Arten der Testamentsvollstreckung gibt es?

Man unterscheidet abhängig von Dauer und Umfang verschiedene Arten der Testamentsvollstreckung.

  • Abwicklungsvollstreckung
  • Dauervollstreckung
  • vollständige Testamentsvollstreckung
  • partielle Testamentsvollstreckung

Die verschiedenen Arten der Testamentsvollstreckung können je nach den Anweisungen des Erblassers im Testament auch miteinander kombiniert werden. Eine Abwicklungs-Testamentsvollstreckung kann sich also sowohl auf den gesamten Nachlass als auch auf einen Teil davon erstrecken, und eine Dauer-Testamentsvollstreckung kann hinsichtlich des gesamten Nachlasses angeordnet werden oder auch nur hinsichtlich eines Teils des Nachlasses oder eines oder mehrerer Erben bzw. Vermächtnisnehmer.

 

Abwicklungs-Testamentsvollstreckung:

Wenn ein Testamentsvollstrecker im Testament mit der Abwicklung eines Nachlasses beauftragt worden ist, ist es seine Aufgabe, den Nachlass vollständig auseinanderzusetzen, alle Gegenstände unter den Erben zu verteilen bzw. die Gegenstände, soweit sie nicht unter den Erben verteilt werden, zu veräußern, alle Verbindlichkeiten zu begleichen, alle Forderungen einzuziehen und alle Steuern zu erledigen.

Beispiel:

Anna Gruber ist Eigentümerin einer vermieteten Doppelhaushälfte in Stuttgart und eines vermieteten Apartments in Köln. Sie wohnt in einer angemieteten Wohnung in Stuttgart. Ihr gehören ein Festgeldkonto und mehrere Goldbarren. Sie möchte ihre Söhne Anton und Berthold als Erben je zur Hälfte berufen. Ihr Wunsch ist es, in Stuttgart beerdigt zu werden. Die Grabstätte soll 20 Jahre lang bestehen. Da Anton in München und Berthold in Berlin wohnen und sich nicht sehr gut miteinander verstehen, fürchtet sie, dass es nach ihrem Ableben zu Streitigkeiten zwischen den Söhnen kommen wird und dass diese möglicherweise ihren Wunsch, in Stuttgart beerdigt zu werden, nicht respektieren.

Sie verfasst daher folgendes Testament:

„Ich berufe meine Söhne Anton und Berthold als Erben zu gleichen Teilen. Ersatzerben sind die jeweiligen Abkömmlinge. Ich möchte in Stuttgart beerdigt werden. Die Grabstätte soll 20 Jahre bestehen. Ich ordne Abwicklung-Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker soll den Nachlass auseinandersetzen und sich auch um die Grabstelle kümmern.“

Nach dem Ableben von Anna Gruber wird der Testamentsvollstrecker an die Erben herantreten und sie fragen, ob sie die Immobilien in Stuttgart und Köln übernehmen möchten. Wenn dies nicht der Fall ist bzw. sich die Söhne nicht einigen können, zu welchem Preis ein Erbe den anderen auszahlen soll, wird der Testamentsvollstrecker die Immobilien ebenso wie die Goldbarren, über deren Verteilung sich die Söhne ebenfalls nicht einigen konnten, verkaufen und das Festgeldkonto auflösen. Er wird mit den Söhnen einen Ortstermin in der Wohnung der Erblasserin abhalten, bei dem sich jeder Sohn Gegenstände aussuchen kann. Wenn beide Söhne denselben Gegenstand wollen, entscheidet der Testamentsvollstrecker, wie damit verfahren werden soll. Wenn es sich um einen werthaltigen Gegenstand handelt, wird er ihn veräußern. Wenn dies nicht der Fall ist, wird er durch Los entscheiden, wer die Sachen erhält. Anschließend wird der Testamentsvollstrecker die Wohnung räumen und mit dem Vermieter klären, ob beispielsweise noch Schönheitsreparaturen durchzuführen sind.

Der Testamentsvollstrecker wird sich außerdem um den Ankauf einer Grabstelle in Stuttgart für 20 Jahre und die entsprechende Gestaltung des Grabes kümmern.

Mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung in ihrem Testament hat Anna Gruber sichergestellt, dass es nach ihrem Ableben nicht zu Streitigkeiten zwischen ihren Söhnen kommt und dass ihr Wunsch, in Stuttgart beerdigt zu werden, respektiert wird.

 

Dauertestamentsvollstreckung:

Wenn durch den Erblasser Dauertestamentsvollstreckung angeordnet worden ist, können die Gläubiger des Erben für die Zeit der Testamentsvollstreckung nicht auf das ererbte Vermögen zugreifen. Der Testamentsvollstrecker errichtet quasi eine Schutzmauer um das geerbte Vermögen und hält die Gläubiger der Erben von dem Vermögen fern. Diese Gestaltung empfiehlt sich immer, wenn sich ein Erbe in einer dauerhaft problematischen finanziellen Situation befindet, also beispielsweise hohe Schulden hat, sich im Insolvenzverfahren befindet, aufgrund einer Behinderung oder Krankheit dauerhaft Sozialleistungen bezieht, minderjährig ist oder – aus welchem Grund auch immer – nicht mit Geld umgehen kann.

Beispiel:

Max und Maria Huber aus München sind miteinander verheiratet. Sie haben zwei Töchter, Beatrix und Dorothee. Dorothee hat aufgrund einer gescheiterten Selbstständigkeit sehr hohe Schulden und befindet sich im Insolvenzverfahren. Die Eltern möchten vermeiden, dass Dorothees Gläubiger nach dem Ableben der Eltern auf den Erbteil von Dorothee zugreifen bzw. den ihr zustehenden Pflichtteil pfänden. Die beiden Schwestern verstehen sich sehr gut miteinander.

In einer solchen Situation empfiehlt es sich, für den Erbanteil von Dorothee Dauertestamentsvollstreckung anzuordnen, um ihn vor dem Zugriff ihrer Gläubiger und des Insolvenzverwalters zu schützen. Dabei ist zu beachten, dass der Zugriff der Gläubiger nicht erst nach dem Ableben des zweiten Ehegatten, sondern bereits nach dem Ableben des erstversterbenden Ehegatten droht. Da die Gläubiger gegebenenfalls auch den Pflichtteil von Dorothee pfänden können, genügt es nicht, Dorothee im Testament einfach zu enterben. Es muss vielmehr für eine gute Lösung nach beiden Erbfällen gesorgt werden.

Das Testament der Eltern könnte beispielsweise lauten:

„Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Nach dem Ableben des erstversterbenden von uns erhält unsere Tochter Dorothee ein Vermächtnis in Höhe ihrer rechnerischen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zuzüglich einem Prozentpunkt. Dorothee ist als befreite Vorvermächtnisnehmerin berufen. Nachvermächtnisnehmer sind ihre Kinder, ersatzweise unsere Tochter Beatrix, wiederum ersatzweise deren Abkömmlinge. Der Nachvermächtnisfall tritt mit dem Ableben von Dorothee ein.
Nach dem Ableben des letztversterbenden von uns berufen wir unsere Töchter Dorothee und Beatrix als Erbinnen zu gleichen Teilen. Beatrix erhält vorab als Vorausvermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des Vermächtnisses, das Dorothee nach dem Ableben des Erstversterbenden erhalten hat. Dorothee ist als befreite Vorerbin berufen. Nacherben sind ihre Abkömmlinge, ersatzweise Beatrix, wiederum ersatzweise deren Abkömmlinge. Der Nacherbfall tritt mit dem Ableben von Dorothee ein.
Hinsichtlich der Vermächtnisse und Erbteile von Dorothee ordnen wir Dauertestamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker soll das ererbte Vermögen für Dorothee verwalten und an sie sämtliche Zahlungen leisten, die Dorothee wünscht, soweit dies nicht zu einem Zugriff der Gläubiger bzw. des Insolvenzverwalters auf das ererbte Vermögen führt.“

Mit diesem Testament ist sichergestellt, dass die Gläubiger von Dorothee nicht auf das ererbte Vermögen zugreifen können. Durch die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft bzw. eines Vor- und Nachvermächtnisses wird außerdem dafür gesorgt, dass das geerbte Vermögen, soweit es beim Ableben von Dorothee noch übrig ist, nicht an ihre Gläubiger fällt, sondern direkt an ihre Kinder bzw., falls sie keine hat, an ihre Schwester Beatrix bzw. deren Abkömmlinge. Es bleibt damit auf jeden Fall in der Familie.

 

Vollständige Testamentsvollstreckung:

Wenn der Erblasser in seinem Testament eine vollständige Testamentsvollstreckung angeordnet hat, bezieht sich die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers auf den gesamten Nachlass und auf alle Erben. Der Testamentsvollstrecker wickelt den gesamten Nachlass ab und sorgt dafür, dass sämtliche Wünsche des Erblassers vollständig umgesetzt werden.

Beispiel:

Gabriele Schmid aus Hamburg ist Eigentümerin eines vermieteten Mehrfamilienhauses in München und einer selbst bewohnten Wohnung in Hamburg. Sie hat darüber hinaus Konten und Aktiendepots bei verschiedenen Banken in Deutschland, Österreich und Frankreich. In ihrer Wohnung hängen mehrere wertvolle Gemälde.

Sie verfasst folgendes Testament:

„Ich berufe Greenpeace und die Deutsche Krebshilfe als Erbinnen je zur Hälfte. Greenpeace soll die Erbschaft ausschließlich für den Schutz des Regenwaldes verwenden. Die Deutsche Krebshilfe soll die Erbschaft ausschließlich im Sinne von Patienten mit Magenkrebs verwenden. Ich ordne Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker soll den gesamten Nachlass abwickeln.“

Nach dem Ableben von Gabriele Schmid wird der Testamentsvollstrecker das Mehrfamilienhaus in München und die Wohnung in Hamburg verkaufen. Er wird ferner sämtliche Konten und Aktiendepots auflösen. Die Gemälde wird er durch einen spezialisierten Gutachter bewerten lassen und dann zum bestmöglichen Preis verkaufen.

Er wird den Ertrag des Nachlasses aber erst dann an Greenpeace und die Deutsche Krebshilfe ausschütten, wenn Greenpeace nachgewiesen hat, dass es die Erbschaft tatsächlich ausschließlich in Projekte zum Schutz des Regenwaldes investiert, und wenn die Deutsche Krebshilfe nachgewiesen hat, dass sie mit dem geerbten Geld tatsächlich ausschließlich Projekte zur Erforschung und Heilung von Magenkrebs durchführt bzw. solche Projekte finanziell unterstützt. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die gemeinnützigen Organisationen das geerbte Vermögen ausschließlich zu den Zwecken, die sich die Erblasserin gewünscht hat, verwenden. Der Testamentsvollstrecker überwacht die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel gegebenenfalls auch über einen längeren Zeitraum hinweg, falls dies notwendig ist.

 

Partielle Testamentsvollstreckung:

Testamentsvollstreckung kann auch nur für einen bestimmten Teil des Nachlasses, hinsichtlich bestimmter Erben oder für bestimmte Teilaufgaben angeordnet werden.

Beispiel:

Maria Graf ist Eigentümerin eines von ihr selbst bewohnten Einfamilienhauses in Berlin sowie einer vermieteten Wohnung in München und einer vermieteten Wohnung in Hamburg. Darüber hinaus verfügt sie über ein nicht unerhebliches Kapitalvermögen.

Sie hat eine Tochter, Theodolinde, und zwei Enkelkinder, Klaus und Konrad. Aus erbschaftsteuerlichen Gründen möchte sie ihren Enkelkindern die Wohnungen in München und Hamburg als Vermächtnis hinterlassen. Beide Enkelkinder sollen finanziell gleich behandelt werden. Die Wohnung in München ist allerdings deutlich wertvoller als die Wohnung in Hamburg. Gemeinsame Eigentümer beider Wohnungen sollen die Enkelkinder nicht werden, weil Maria Streitigkeiten zwischen ihnen befürchtet. Sie möchte daher, dass jeder Enkelsohn eine Wohnung alleine erhält und derjenige, der die wertvollere Wohnung bekommt, den anderen auszahlt. Allerdings befürchtet sie, dass es zwischen ihren Enkelsöhnen zu Streitigkeiten über die Werte der jeweiligen Immobilien kommen könnte.

In einem solchen Fall empfiehlt sich die Anordnung einer partiellen Testamentsvollstreckung hinsichtlich der Bewertung der Wohnungen, um Streit zu vermeiden. Das entsprechende Testament könnte beispielsweise lauten:

„Ich berufe meine Tochter Theodolinde zur Alleinerbin. Im Wege des Vermächtnisses erhalten Konrad meine Wohnung in Hamburg und Klaus meine Wohnung in München. Ich wünsche, dass beide Enkelkinder wirtschaftlich gleich behandelt werden. Das Enkelkind, das die teurere Wohnung erhält, soll daher an das andere Enkelkind einen entsprechenden Ausgleich leisten. Für die Ermittlung des Wertes der beiden Wohnungen ordne ich Testamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker soll entsprechende Wertgutachten einholen. Jedes Enkelkind hat daraufhin das Recht, auf eigene Kosten ein Gegengutachten erstellen zu lassen. Anschließend entscheidet der Testamentsvollstrecker nach bestem Wissen und Gewissen, abschließend und unanfechtbar, welche Werte der Wohnungen der Ausgleichszahlung zugrundezulegen sind. Die Ausgleichszahlung ist sechs Monate nach der Festlegung der Werte durch den Testamentsvollstrecker fällig.“

Die Bewertung von Immobilien ist sehr häufig ein großer Streitpunkt in Erbengemeinschaften. Mit der Anordnung im Testament, dass ein neutraler Testamentsvollstrecker die Bewertung der Immobilien vornehmen soll, kann dieser Streit effektiv verhindert werden.